Christoph Löwer (CDU), 2. Beigeordneter des Landkreises Potsdam-Mittelmark
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“Ich mag das offene Diskutieren”

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Der Stahnsdorfer Christoph Löwer (CDU) wurde im Juni zum zweiten Beigeordneten des Landkreises Potsdam-Mittelmark gewählt, dazu ernannt wurde er jedoch erst Anfang August, weil ein Konkurrent geklagt hatte. Am 1. September kann Löwer nun seinen Job antreten. Als Agrarökonom und Kommunikationsexperte mit Erfahrungen in verschiedenen Bereichen sieht er sich bereit für die Herausforderung, Fachbereiche wie Landwirtschaft, Bauwesen, Wirtschaftsförderung oder Umwelt zu leiten. 

Derzeit ist der 54-Jährige der Leiter des Verbindungsbüros Berlin der Bundesgesellschaft für Endlagerung. Er verrät im Interview, wie es ihm damit geht, dass ein Konkurrent gerichtlich die Besetzung des Postens mit dem Stahnsdorfer verhindern wollte und warum er „Wasser“ als wichtigstes seiner Themen sieht.

Sie sind der neue zweite Beigeordnete für Potsdam-Mittelmark, wie kam es dazu?

Ich wurde darauf angesprochen, von Wolfgang Brenneis, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden in Stahnsdorf und Kreistagsabgeordneten, nicht zuletzt wegen meiner Mitarbeit als sachkundiger Einwohner in Stahnsdorf.

Und warum hat Sie das gereizt?

Weil das wesentlich bürgernäher ist als das, was auf Bundesebene besprochen wird. Zum Beispiel beim Wärmegesetz oder dem Thema Wasser in der Landwirtschaft – das ist jetzt eine Stelle, wo man direkt mit den Betroffenen diskutiert, mit den Besonderheiten des Kreises, der ja riesengroß ist, und nicht auf einer Metaebene unterwegs ist. Da ergeben sich ja besondere Probleme – auch kommunikativ. Und auch die inhaltliche Struktur mit den Schwerpunkten Landwirtschaft, Umwelt, Bauwesen, Gesundheit und Wirtschaftsförderung ist spannend. Ich mag das offene Diskutieren, den Kontakt mit den Menschen, und glaube, dass es auch deswegen sehr gut zu mir passt. Ich habe es mir auch sehr gut überlegt und sehe das als Management-Funktion, weniger als parteipolitische.

Was qualifiziert Sie denn für diese Position?

Ich glaube, ich habe durch meine bisherigen Stationen Erfahrungen gesammelt, durch die ich einen Mehrwert bringe. Ich habe auch schon viel mit Gewerkschaften, Umweltrecht, Landwirtschaftsversicherungen und Risiko zu tun gehabt. Ich komme außerdem aus einer ländlichen Struktur, mit viel Obst- und Gemüseanbau und Wald, deswegen fühlen wir uns als Familie hier in dieser Region auch sehr wohl. Die Pfalz ist zum Beispiel auch ein Spargel-Anbaugebiet.

Werden Sie weiterhin sachkundiger Einwohner in Stahnsdorf bleiben?

Ich bin ja im S-Bahn-Ausschuss und im Bauausschuss. Es ist kommunalrechtlich auch gar nicht möglich, da die Zuständigkeit in der Kreisverwaltung für alle 4 Planungsregionen des Landkreises gleichermaßen gilt – von Ziesar und Wiesenburg bis Teltow.

Kann man das überhaupt alles bedienen?

Durch die Schaffung der weiteren Beigeordneten-Stellen soll ja auch die Nähe zu den Kommunen verstärkt werden.

Gegen Ihre Berufung und Wahl wurde von einem Konkurrenten bei Gericht Einspruch erhoben. Was macht das mit einem?

Zweierlei. Zum einen ist das ein gesetzlich verbrieftes Recht jedes Kandidaten, das Gericht anzurufen, dass das überprüft wird. Das sehe ich sehr professionell. Das ist eine wichtige Sache, die Transparenz und Grundvertrauen in den Öffentlichen Dienst und dieses Besetzungsverfahren schafft.

Hätten Sie das auch gemacht, wenn Sie nicht gewählt worden wären?

Wahrscheinlich nicht.

Zur Person

Christoph Löwer ist am 25. März 1969 in neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) geboren, verheiratet und hat eine Tochter. Er lebt mit seiner Familie seit fünf Jahren in Stahnsdorf, davor zehn Jahre lang in Kleinmachnow.

Er hat Agrarwissenschaften studiert und etwa bei einer Versicherung, dem badischen Weinbauverband, Kommunikationsagenturen, Alstom Deutschland und dem Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie gearbeitet. Ein Jahr war er auf einem Gutsbetrieb tätig.

Bis zu seinem Dienstbeginn als zweiter Beigeordneter des Landkreises Potsdam-Mittelmark war er der Leiter des Verbindungsbüros Berlin der Bundesgesellschaft für Endlagerung.

Mitglied der CDU wurde er 2011, hatte aber nie ein Wahlamt inne.

Vor zwei Jahren wurde er sachkundiger Einwohner in Stahnsdorf.

Und zweitens?

Dass ich mich natürlich nach dieser Wahl mit diesem außergewöhnlich guten Ergebnis auf die Aufgabe freue und geduldig warten musste. Die Situation mochte ich nicht, weil ich will ja zügig anfangen.

Hatten Sie Ihren aktuellen Job schon gekündigt?

Nein, erst nach der Entscheidung. Und die acht Jahre fangen auch erst mit Dienstbeginn an.

Was werden Sie als Erstes in Angriff nehmen?

Das ist ganz klar das Thema Wasser, das ja nicht nur die Landwirtschaft betrifft, sondern übergreifend die Entwicklung des Kreises. Wie kann man Wasser in der Landschaft halten? Vor der Wende gab es das Meliorationsverfahren, bei dem man durch Stauwehre Land nutzbar gemacht hat. Das ist jetzt wieder notwendig, aber nicht, um Land zu entwässern, sondern um das Wasser zu halten, damit es nicht in Richtung Meer wegfließt.

Warum ist das Ihr wichtigstes Thema?

Jeder hat gemerkt, im Sommer ist es heiß, die Bäume sterben ab. Aber die strukturellen langfristigen Auswirkungen sind noch nicht jedem gleich präsent. Aber wenn wir das Absinken des Grundwasserspiegels nicht aufhalten können, werden wir mit dem Trinkwasser ein Problem bekommen, mit Gewerbegebieten, mit dem Wohnbau. Und damit ist das Thema aus der Landwirtschaft raus und ist bei allen.

Was kommt noch?

Ich glaube, dass es viele Infrastrukturmaßnahmen gibt, zum Beispiel das Gewerbegebiet Seddiner See, da geht es um Partizipation und Kommunikation. Aus Stuttgart 21 haben wir gelernt – wie kann man Bürgerbeteiligung so organisieren, dass sowohl die Planer keine Angst vor den Bürgern haben als auch die Bürger Vertrauen in ein transparentes Verfahren? Ich war lange in der Kommunikationsbranche tätig und sage, es kommt nicht auf den Sender der Botschaft an, sondern auf den Empfänger. Auch bei Infrastrukturprojekten. 

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Die Aussage „Wir machen hier ein tolles ICE-Werk oder Gewerbegebiet“ – Ja, aus Sicht des Ingenieurs ist es toll, aber wie vermittelt man das, wie kann man konfliktreiche Themen verständlich machen? Da muss man beide Seiten fordern, sich Gedanken zu machen. Das ist es, was mich auch bei diesen komplexen Themen antreibt. Wie ist da die Kompromissfindung?

Wie stehen Sie denn zum ICE-Werk bei Großbeeren/Sputendorf?

Ganz ehrlich, ich weiß nicht genug darüber. Ich verstehe grundsätzlich, wenn jemand sagt, in meiner Nähe möchte ich das nicht haben. Aber wenn wir es für die Verkehrswende brauchen und die Bahn sagt, es ist notwendig, dann glaube ich ihr das. Aber für die Abwägung und meine eigene Meinungsbildung weiß ich noch nicht genug darüber. Ich verstehe aber, wenn ein erster Reflex ablehnend ist.

Und das Gewerbegebiet Seddiner See?

Auch da kenne ich nur, was ich in der Zeitung lese und weiß nicht die Vorgeschichte. Die Bürger fühlen sich gegenüber diesen großen Strukturen schnell in der schwächeren Position. Es ist immer schwierig, wenn alle in ihren Lagern verhakt sind, wieder zusammenzukommen. Vielleicht kann ich da etwas behilflich sein. Ich meine, ich arbeite in der Bundesgesellschaft, die das Endlager für hochradioaktive Abfälle  sucht – und das will erst einmal auch niemand in seiner Nähe haben, mich eingeschlossen. Aber wie geht man mit der Ablehnung und den Ängsten um – so, dass sich alle ernst genommen fühlen? 

Sie sind derzeit Leiter des Verbindungsbüros Berlin der Bundesgesellschaft für Endlagerung und studierter Agrarökonom. Wollten Sie das schon immer machen?

Nein, gar nicht. Ich wollte eigentlich klassischer Musiker werden, habe ab dem Alter von zehn Jahren Fagott gelernt und wollte es auch studieren. Ich hätte mir auch vorstellen können, Musik und Biologie zu studieren, aber mein Fagottlehrer hat gesagt: „Wer sein Hobby zum Beruf macht, hat kein Hobby mehr.“ Ich habe aber trotzdem großartige Erfahrungen gemacht, so war ich im Schlierbacher Kammerorchester, das im Salzburger Mozarteum Trainingsorchester des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt bei dessen Kursen war. Im Trio oder im Orchester lernt man sehr viel das Gemeinsame. Und Agrarwissenschaften ist ein toller und breit angelegter Studiengang!

Foto: Konstanze Kobel-Höller