Rund 1000 bis 1500 Menschen besuchten die Anti-Rechts-Demo in Kleinmachnow am 28.1.2024
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“Es ist nicht 5 vor 12, sondern 5 vor 33”

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Es wurde voll auf dem Kleinmachnower Rathausmarkt am Sonntagnachmittag: Geschätzte 1000 bis 1500 Menschen aus der Region fanden sich ein, um gegen rechts einzutreten. Unter ihnen auch die Bürgermeister der Kommunen Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf sowie zahlreiche Kommunalpolitiker:innen, wie etwa die Stahnsdorfer Bürgermeister-Kandidaten Richard Kiekebusch (CDU) und Tina Reich (SPD), LAbg. Sebastian Rüter (SPD Teltow), Erste Beigeordnete Beate Rietz (SPD) aus Teltow, Martin Emmendörffer (B90/Grüne Teltow), Max Steinacker (BiK Kleinmachnow), Dietmar Otto (SPD Stahnsdorf) und andere.

“Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Demokratie zu wahren”, mahnte Michael Grubert (SPD), Kleinmachnows Bürgermeister, als erster Redner. Rechtsradikale würden mittlerweile ganz offen rechtsradikale Dinge ankündigen. “Wenn Menschen sich das Recht herausnehmen zu definieren, wer Deutscher ist und wer nicht, ist es an der Zeit, klare Kante zu zeigen.” 

Bernd Albers (Bürger für Bürger), sein Stahnsdorfer Amtskollege, erklärte, nun gelte es, gemeinsam für eine pluralistische Gesellschaft einzutreten. “Eine Gesellschaft, die auf Unterschiede setzt.” Jeder und jede verdiene einen Platz in unserer Mitte. “Schweigen ist keine Option mehr”, so Albers, der auch erklärte, dass das Engagement nicht heute enden dürfe.

Seine Großmutter sei 1943 als Jüdin in Auschwitz vergast worden, wurde Thomas Schmidt, Teltows Bürgermeister (SPD) persönlich. “Wenn sie wüsste, was heute hier passiert – ich glaube, sie wäre stolz auf jeden, der aufsteht.” Auch er wurde politisch: “Die Demokratie steht auf dem Spiel.” Er betonte, dass nie jemand behauptet habe, dass Demokratie etwas Einfaches wäre.” Sie wäre ohne Gewalt, ohne Rassismus und ohne Antisemitismus das Wichtigste, was wir hätte.

Schmidt zitierte einen Text von Joseph Goebbels, 1928, in dem dieser erklärt, dass die NSDAP als antiparlamentarische Partei den Reichstag, das Parlament zu den eigenen Zwecken nutzen werde.

"Wir sind doch eine antiparlamentarische Partei, lehnen aus guten Gründen die Weimarer Verfassung und die von ihr eingeführten republikanischen Institutionen ab, sind Gegner einer verfälschten Demokratie, die den Klugen und den Dummen, den Fleißigen und den Faulen über einen Leisten schlägt, sehen im heutigen System der Stimmenmajoritäten und der organisierten Verantwortungslosigkeit die Hauptursache unseres ständig zunehmenden Verfalls. Was also wollen wir im Reichstag?
Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns aus dem Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. Wenn es uns gelingt, bei diesen Wahlen sechzig bis siebzig Agitatoren und Organisatoren unserer Partei in die verschiedenen Parlamente hineinzustecken, so wird der Staat selbst in Zukunft unseren Kampfapparat ausstatten und besolden. Eine Angelegenheit, die reizvoll und neckisch genug ist, sie einmal auszuprobieren."

Schmidt betonte, dass es gerade jetzt, in einem Jahr der Wahlen gelte, Obacht zu geben. “Wir müssen  aufpassen, sonst passiert genau das wieder. Und das darf nie, nie wieder passieren.”

Zu den anderen Rednern gehörte unter anderem Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff, der etwa die Pressefreiheit hervorhob, Diakon Martin Bindemann von der evangelischen Andreas-Kirchengemeinde Teltow, oder ein türkischer Vertreter, der erklärte: “Wir haben Angst. Wir haben Sorgen und Angst um unsere Kinder, weil eine in weiten Teilen rechtsextremistische Partei Zustimmung bei jedem fünften Wähler bekommt, in einigen Teilen des Landes sogar noch weit mehr.” Er sieht die Demokratie als Ganzes und große Teile der Bevölkerung in Gefahr. “Sie sprechen von Remigration, meinen aber Deportation”, sagte er und ergänzte: “Sie sagen aber noch nicht, was passiert, wenn wir nicht freiwillig gehen.” 

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Mut mache ihm, dass die fast schon eingeschlafene Mitte endlich aufgewacht sei. Doch die lautesten und größten Demos werden es nicht schaffen, die Rechten aus dem Bundestag zu holen, wenn keine Politik gemacht wird, die die Ungerechtigkeiten aus der Welt schafft, betonte er. “Es ist nicht 5 vor 12, sondern 5 vor 33”, warnte er.

Die Landeskulturbeauftragte für Berlin-Brandenburg konzentrierte sich in ihrem Beitrag auf Kinder und Jugendliche, “die besonders darunter zu leiden haben werden, wenn wir es nicht schaffen, jetzt unsere Demokratie zu bewahren.”

Auch in Teltow wird gegen rechts demonstriert, und zwar gleich am Montag, 29. Januar, um 18 Uhr auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. In der Veranstaltung, die vom “Netzwerk Tolerantes TKS (NTTKS)” organisiert wird, geht es nicht nur um die aktuellen Ereignisse, sondern auch gegen die Coronaleugner, die sich ebenfalls zu diesem Zeitpunkt auf dem Marktplatz treffen.

Fotos: Konstanze Kobel-Höller, privat (1 - Rathausmarkt von oben)