ICE-Standort Sputendorf alternativlos?
Für Beunruhigung sorgt derzeit in Stahnsdorf, dass sich die Berliner Koalition in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zu einem Standort für ein neues ICE-Instandhaltungswerk in Sputendorf/Großbeeren bekennt. Doch was bedeutet der Satz wirklich und was gibt es Neues von den Planungen?
Auf Seite 59 des Berliner Koalitionsvertrages zwischen SPD und CDU sind die beiden Zeilen gedruckt: „Wir unterstützen im Einvernehmen mit dem Land Brandenburg den Bau eines weiteren ICEWerks auf Stadtgüterflächen in Großbeeren.“
Bei den Mitgliedern der Bürgerinitiative (BI) Lebensraum Stahnsdorf, die sich gegründet hat, nachdem bekannt geworden war, dass die Deutsche Bahn möglicherweise auf den Rieselfeldern zwischen Sputendorf und Großbeeren ein vier Kilometer langes und 400 Meter breites ICE-Instandhaltungswerk errichten wird, lässt das die Alarmglocken schrillen.
Eine vorgezogene Bewertung dieses Standortes im Koalitionsvertrag widerspricht einer interessenfreien Abwägung
Bürgerinitiative (BI) Lebensraum Stahnsdorf
„Wie kann es sein, dass die Brandenburger Minister der BI vortäuschen, einen demokratischen Prozess abwarten zu wollen, hinter dem Rücken ihrer Wähler aber mit Berliner Ministerien Absprachen treffen und diese Absprachen dann im Berliner Koalitionsvertrag als Absichtserklärung festgehalten werden“, fragen sie. „Eine vorgezogene Bewertung dieses Standortes im Koalitionsvertrag widerspricht einer interessenfreien Abwägung.“
Formulierung ist “auf die Zukunft gerichtet”
Auf der Suche nach einer Antwort, wie vor allem das im Koalitionsvertrag erwähnte Einvernehmen aussieht, auf welchen Grundlagen es basiert, zwischen wem es erfolgt ist und wann, gaben sich die beiden Bundesländer Brandenburg und Berlin eher schweigsam.
Das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung verwies an das Land Berlin, schließlich ginge es ja um dessen Koalitionsvertrag. Erst nach erneuter Nachfrage wurde knapp kommentiert: „Die Formulierung im Koalitionsvertrag von Berlin ist auf die Zukunft gerichtet. Dementsprechend ist abzuwarten, dass Berlin das Thema aufgreift und auf Brandenburg zukommt.“
Raumordnungsverfahren ist nötig
Vor einer Projektumsetzung müsse es jedenfalls noch eine grundsätzliche Standortentscheidung der Deutschen Bahn für Brandenburg geben und obligatorisch ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden, bei dem unabhängig und ergebnisoffen die Vereinbarkeit eines solchen Projektes mit den Zielen der Raumordnung und auch mögliche Standortalternativen geprüft würden.
Gar keine Antwort gab es aus der Staatskanzlei Brandenburg, der Senat Berlin verwies wiederum an die SPD und die CDU: „Der Koalitionsvertrag, den Sie zitieren, ist eine Vereinbarung zwischen Parteien – solange die entsprechenden Richtlinien der Regierungspolitik (auf dessen Basis) nicht vorliegen, kann die Senatsverwaltung zu diesen Inhalten keine Stellung nehmen. Ich bitte um Verständnis.“
Wir haben das reingeschrieben, weil wir eine solche Ansiedlung grundsätzlich für eine gute Idee für die Region halten
Sven Heinemann, Landesgeschäftsführer SPD Berlin Tweet
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Tatsächlich gab es eine überraschend deutliche Antwort durch Sven Heinemann, den Landesgeschäftsführer der SPD Berlin: „Wir haben das reingeschrieben, weil wir eine solche Ansiedlung grundsätzlich für eine gute Idee für die Region halten“, erklärte er auf Anfrage. „Sofern sich die Landesregierung Brandenburg und die Deutsche Bahn dafür entscheiden, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, dass Berlin die Grundstücke zur Verfügung stellt.“
An Berlin wird es nicht scheitern
Das Land Berlin ist Eigentümer der betreffenden Flächen in den Sputendorfer Rieselfeldern und man wolle sich im Fall des Falles nicht dagegenstellen. „An uns wird das nicht scheitern“, so Heinemann.
Als vermögenspolitischer Sprecher der SPD sei er regelmäßig im Austausch mit Alexander Kaczmarek, dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn, und die Initiative, das Bekenntnis zum ICE-Werk an diesem Standort in den Koalitionsvertrag zu schreiben, sei von ihm ausgegangen. „Weil es ein wichtiges Thema ist“, so Heinemann – und wohl auch, weil er sich für Berlin von den rund 400 neuen Arbeitsplätzen einen Effekt auf die eigene Wirtschaft erwartet.
In Brandenburg ist nur mehr dieser Standort im Gespräch
Eine Abstimmung zwischen der SPD in Berlin und Brandenburg habe es seit der Wahl noch nicht gegeben, davor schon. Demnach gebe es noch viel abzustimmen. Berlin könne sich aber vorstellen, die Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Zuvor seien noch viele Prüfungen nötig. „Mir als Berliner scheint es nicht völlig unmöglich zu sein, sowas in Großbeeren umzusetzen“, sagt der SPD-Mann. „Aber das müssen die Behörden in Brandenburg entscheiden.“
Laut Heinemann sind nur noch zwei Standorte im Rennen: Frankfurt und Großbeeren/Sputendorf. Auf Nachfrage bestätigte er, dass letzterer der einzige in Berlin/Brandenburg sei, um den es noch gehe. Noch im Januar hatte Kaczmarek gegenüber der Bürgerinitiative erklärt, es gebe drei Standorte, davon einen im Norden Berlins. Benennen wollte oder konnte er aber keine Alternativen zu Sputendorf. Nun befürchtet Kerstin Kalesky, Sprecherin der BI, die mittlerweile schon fast 1000 Mitglieder hat, dass drei verschiedene Optionen in den Rieselfeldern untersucht werden sollen.
Planung soll verkleinert worden sein
Möglicherweise als Verhandlungsangebot soll die Bahn die Planung in der Zwischenzeit angeblich etwas verkleinert haben: Auf einen Ring, über den die Züge im Halbkreis wenden hätten können, soll jetzt wohl verzichtet werden.
Am Mittwoch ist der ICE-Standort bei Sputendorf zweimal Thema der Fragestunde im brandenburgischen Landtag: Maren Block (Die Linke) fragt hinsichtlich des Vermerks im Berliner Koalitionsvertrag bei der Landesregierung an, ob diese im Einvernehmen mit dem Berliner Senat eine (Vor-)Entscheidung getroffen habe, die Errichtung des Werks in den Rieselfeldern zu unterstützen. Daniel Münschke (AfD) fragt nach Details zu Größe, Lage, Ausstattung und Betriebszeiten der Anlage.
Foto: Konstanze Kobel-Höller