Sieben neue Stolpersteine für Teltow
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Neue Stolpersteine erinnern an sieben Schicksale in der NS-Zeit

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Sieben neue Stolpersteine wurden im März unter großer Anteilnahme in Teltow verlegt. Damit sind es 33 Erinnerungssteine, die in der Stadt zu finden sind – 33 Schicksale, die von der Geschichtswerkstatt erforscht und derer gedacht wurde. whatz-up.de war mit dabei und möchte hier die Leben der Verfolgten auch wiedergeben.

Gunter Demnig verlegte in Teltow sieben neue Stolpersteine. Fotos: Konstanze Kobel-Höller

Johann Emil Fiolka, Mainstraße 5

Johann Emil Fiolka wurde am 16. März 1895 in Teltow geboren. Er wurde Steinsetzer und war nach eigenen Angaben ab 1920 und zu derer Auflösung im März 1933 Mitglied der KPD sowie in der Roten Hilfe sowie Gewerkschafter im Steinsetzerverband. Als Vertreter der KPD kam er auch im Oktober 1928 in die Stadtverordnetenversammlung, der er dann bis 1933 angehörte. 

Am 4. Juli 1933 wurde er verhaftet. Er wurde von seiner Wohnung in der Mainstraße 5 in den „Schwarzen Adler“ verbracht, wo er schwer misshandelt wurde. Am 24. Juli veranlasste der Landrat des Kreises Teltow seine „Inschutzhaftnahme“ im Lager Oranienburg. Am 24. November wurde er wieder entlassen, mit der Auflage, die ‚Verpflichtungserklärung‘ zu unterzeichnen und täglich der Meldepflicht bei der örtlichen Polizeibehörde nachzukommen. Später kam er zur „Organisation Todt“ und wurde 1943 erneut verhaftet. Bis zu seiner Verhandlung war er wieder sieben Monate in Haft. Danach kam er nach Norwegen und dort in Kriegsgefangenschaft.

Johann Emil Fiolka wurde am 10. Januar 1946 als Opfer des Faschismus anerkannt, 1952 erhielt er den Ausweis als Verfolgter des Naziregimes, das ihm eine Zusatzrente zusicherte. Er starb verwitwet am 23. Dezember 1957 in der Mainstraße 5 im Alter von nur 62 Jahren. 

Reinhold Böttcher, Striewitzweg 26

Der Kaufmann Reinhold Böttcher, 1903 auf Usedom geboren, kam nach Verbüßung einer Strafe wegen Verstoßes gegen den § 175 (Homosexualität) im April 1938 nach Teltow, wo er im Striewitzweg 26 wohnte. Hier teilte er sich mit einem Arbeiter ein Zimmer. Beide Männer fanden Arbeit bei der Baufirma Klammt. Hier arbeitete auch der Jahre alte wohnungslose Bauarbeiter Arthur Rybach. Nach einem Kneipenabend im  Lokal Lindemann nahmen die beiden den jungen Mann zu sich nach Hause. 

Im August 1938 zeigte Rybach Böttcher bei der Polizei an und sagte später vor Gericht sagte Rybach aus, dass es an diesem Abend zu Annäherungsversuchen gekommen sei. Später habe er sich auch noch zweimal mit Böttcher getroffen, wobei sich dieser ihm erneut sexuell genähert haben soll. Der Beschuldigte stritt dies ab, doch das Gericht sah ihn als Wiederholungstäter und verurteilte ihn zu einer knapp zwei Jahre langen Haft. Diese verbrachte er zunächst im Gefängnis in Berlin, bevor er im Januar 1939 ins Zuchthaus Brandenburg-Görden und im Februar 1939 ins Konzentrationslager Börgermoor im Emsland kam. Aus diesem wurde er im Juni 1940 entlassen.

Seine nächste Spur findet sich auf einer Liste der Zugänge des Konzentrationslagers Sachsenhausen vom Dezember 1940, offenbar war er in  „Vorbeugehaft“ genommen worden. Am 11. Mai 1941 unterzeichnete er den Aufnahmeschein des Konzentrationslagers Groß-Rosen in Niederschlesien. Ein knappes Jahr später starb Reinhold Böttcher mit nur 39 Jahren. Im Sterbebuch steht als Todesursache Gehirnembolie.

Richard Homann, Walter-Rathenau-Straße 4

Der Handwerker Richard Homann, der am 21. August 1894 in Teltow geboren wurde, war nach dem ersten Weltkrieg, in dem er als Soldat gedient hatte, in die neu gegründete KPD ein, für die er ab 1925 auch in der Stadtverordnetenversammlung einen Sitz innehatte. Ab 1928 lebte er mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in einem selbst erbauten Haus in der Walter-Rathenau-Straße 4, auch seinem Schwiegervater baute er ein Haus. Ab der zweiten Hälfte der 20er Jahre war Filialleiter eines Konsumgeschäftes, wo er vor allem für die Arbeiterschicht preisgünstige Lebensmittel und Haushaltswaren anbot, seine Frau führte bis in die Zeit des Dritten Reiches eine Leinölhandlung.

1929 verließ er die KPD wegen des diktatorischen Charakters derer Parteileitung und deren Ablehnung einer Einheitsfront mit der SPD und schloss sich der SPD an. Anfang der 1930er Jahre wurde er für sie auch Vorsteher des Stadtparlaments. Mehrmals setzte er sich für ein Bündnis mit den Kommunisten gegen die nationalsozialistische Gefahr ein.

Am 5. März 1933, dem Tag der Reichstagswahl, verschleppten SA-Leute Sozialdemokraten und Kommunisten in Gefängnisse, darunter auch Homann, der später als Schutzhäftling ins KZ Oranienburg gelangte. Aus diesem wurde er im August 1933 entlassen, daraufhin ging er seinen vorigen Berufen wieder nach. Es ist unklar, ob er während der NS-Zeit Widerstand leistete. Während des Zweiten Weltkrieges war er für den Luftschutz tätig.

Nach dem Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 geriet er aber wieder mit den Sozialdemokraten zusammen unter Verdacht und wurde in das KZ Sachsenhausen interniert. Aufgrund guter Kontakte seines Bruders, der NSDAP-Mitglied war, zum Teltower Bürgermeister Kurt Pilling, kam er am 15. September wieder frei. 

Nach der Eroberung Teltows 1945 verlor er sein Geschäft. Da er das DDR-Regime nicht akzeptierte, floh er am 24. Dezember 1949 in den Westen, wo er am 9. Januar 1970 in Bonn starb.

Otto Keßler, Walter-Rathenau-Straße 17

Der Schlosser Wilhelm Hermann Otto Keßler, geboren am 7. November 1902 in Teltow, der mit seiner Frau und drei Kindern in der Rhein-Ruhr-Straße 17 (zuvor und heute Walter-Rathenau-Straße) wohnte, war von März bis Oktober 1932 zwar Mitglied der KPD, hatte sich später aber nach eigener Aussage nicht mehr politisch betätigt. Sein KPD-Mitgliedsbuch wurde fast 90 Jahre später bei der Renovierung seines Haues unter Dielen versteckt gefunden.

Festgenommen wurde er am 22. Juli 1933, weil er im Juni des selben Jahres die Rote Fahne von Otto Wolf für 20 Pfennig gekauft und sie anschließend an Paul Fiolka, dem Sohn von Johann Fiolka, der gleich um die Ecke wohnte, weiterverkauft hatte. Der Bürgermeister von Teltow sowie der Landrat des Kreises veranlassten, dass Keßler, Fiolka, Thieke, Jost und Ksionseck ins KZ Oranienburg überstellt wurden. Am 25. November 1933 wurde er gemeinsam mit Johann Fiolka und Friedrich Habermann wieder entlassen. Am 10. Februar 1941 starb Otto Keßler im Krankenhaus Bethanien am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg an „Schlagadererweiterung“. 

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Frieda Lucke, August-Bebel-Straße 16 


Frieda Lucke (geboren am 19. Juni 1903 in Schönow) lebte als Hausfrau in Teltow. Ihr wurde vorgeworfen, kommunistische Schriften vertrieben und Geld für Schutzhäftlinge gesammelt zu haben, weshalb sie am 26. Juli 1933 verhaltet und in das Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin eingeliefert wurde. am 1. November wurde sie auf Anordnung des Landrates des Kreises Teltow in das KZ Moringen überstellt. Sie wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und verbüßte ihre Straße im KZ, über ihre Entlassung im Juli 1935 gibt es aber keine Unterlagen. 

Hermann Lucke, August-Bebel-Straße 16

Der Bauarbeiter Hermann Lucke wurde am 4. August 1933 zusammen mit anderen wegen des „Verdachts der Verbreitung von kommunistischen Zeitschriften („Rote Fahne“) und der „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet und am nächsten Tag ins KZ Oranienburg eingewiesen. Er wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt, wobei ihm 14 Monate Untersuchungshaft angerechnet wurden. Die restliche Haft verbrachte er im Gefängnis Luckau, wo er am 20. Februar 1936 entlassen wurde.

Auguste Fischer, Elsterstraße 1

Die Jüdin Auguste Michel wurde am 30. November 1881 in Manchester geboren. 1903 heiratete die Malerin den Steingutdreher Paul Fischer, mit dem sie ab 1908 in Teltow lebte, wo er in der Porzellanfabrik Dralowid arbeitete. Es wird angenommen, dass sie dort als Porzellanmalerin beschäftigt war.

Das kinderlose Paar lebte in der Elsterstraße 1, die in Hamburger Platz umbenannt wurde. Als Paul Fischer 1940 an den Folgen einer Staublunge starb, war Auguste Fischer ohne den Schutz ihres nicht-jüdischen Ehemanns nun völlig auf sich allein gestellt. Sie erhielt am 8. April 1942 zur Vorbereitung ihrer “Auswanderung” eine seitenlange Vermögenserklärung, die sie am 9. April ausfüllte. Schon fünf Tage später begann für die 60-Jährige dann mit dem XIII. Osttransport von Berlin nach Warschau die Reise in den Tod.