Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte sich mit Stahnsdorfs Bürgermeisterkandidatin Tina Reich in der Stahnsdorfer Waldschänke den Fragen der Bürger:innen
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Stahnsdorfer erfahren, was den Kanzler am meisten bedrückt

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“Es ist was los, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Das wissen wir”, eröffnete Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Mittwochabend in der Stahnsdorfer Waldschänke. Gemeinsam mit Tina Reich, die als Bürgermeisterkandidatin für die Wahl am 3. März in der Gemeinde antritt, hatte er zum Wahlkreisgespräch geladen und die Bürger:innen der Region waren zahlreich gefolgt: Der Saal war voll.

Weltpolitik in Stahnsdorf: Ukraine-Krieg

Scholz leitete mit der Bedeutung der Weltpolitik für Deutschland ein. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine sei auch eine Herausforderung für den Frieden in Europa, die Aufkündigung eines Konsens, dass nicht mehr Grenzen mit Gewalt verschoben werden, und gleichzeitig auch ökonomisch eine Herausforderung. Seien früher aus Russland noch 180 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa geflossen, seien es jetzt 120 Milliarden . weniger. “Geschafft haben wir es trotzdem”, so Scholz, auch wenn es an “irre steigenden Preisen” und Staatsschulden zu spüren gewesen sei.

Er kritisierte zudem die Aufteilung der Unterstützung an der Ukraine, das Deutschland hier einen überproportional großen Teil übernehmen müsse. Auch der Nahe Osten war Thema. Es werde alles versucht, um einerseits Israel zu unterstützen und andererseits die humanitäre Hilfe im Gaza-Streifen sicherzustellen, so der Kanzler.

Rechtsextremismus und seine Ursachen

Auch in Deutschland gebe es Herausforderungen, schlug er dann den Bogen. “Was mich am meisten bedrückt: Das Aufkommen sehr rechter, extremer Parteien und dass sie Unterstützung bekommen. Das kann man nicht einfach so wegdenken.” Er machte darauf aufmerksam, dass es auch in anderen europäischen Ländern ähnliche Tendenzen gibt. “Dann ist das schon etwas, worüber man sich Sorgen machen muss und was ich schlimm finde.” Scholz betonte ausdrücklich, dass er es gut findet, dass viele Menschen zu Kundgebungen gehen und die meisten demokratischen Parteien das unterstützen.

Dass die Ursache dafür auch bei der Regierung zu suchen ist, räumte der Kanzler ein, betonte aber, dass es auch viele andere Unsicherheiten gebe. “Wir müssen sicherer sein über unsere Zukunft.” So kämpfe er dafür, dass Deutschland im Technologie-Bereich wieder nach vorne komme – das sei auch mit dem Klimawandel und Co. möglich, ist er überzeugt. Als positive Beispiele nannte er, dass Brandenburg in einigen Quartalen ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent habe, sowie ein großes US-Elektroautounternehmen. Das fände nicht jeder gut, habe aber Arbeitsplätze gebracht. Und er habe gerade ein Bahnausbesserungswerk in Cottbus mit ebenfalls 1000 Stellen eröffnet, für Leute aus der Kohleregion. 

“Wir sind die Demokratie”

Schließlich gab es Zeit für Fragen aus dem Publikum. Einem siebenjährigen Kind erklärte er, wieso Demokratie und Kundgebungen wichtig sind: “Die Demokratie beschützt uns in unserem Land”, begann Scholz. Durch Diktatur und Faschismus seien in Deutschland Menschen vertrieben und getötet worden. “Das Wichtigste ist, dass wir nie vergessen, wir sind die Demokratie. Und deswegen sind Kundgebungen wichtig.”

Zum Thema Migration betonte er, dass in Deutschland rund 20 Prozent der Menschen einen Zuwanderungshintergrund hätten. “Das ist viel und wir wären nicht so wohlhabend, wenn das nicht so wäre.” Der Großteil davon seien in den vergangenen Jahren aus der EU gekommen und braucht dafür keine besondere Voraussetzung. “Und hätte es die alle nicht gegeben, wäre in den letzten 20 Jahren schon alles schief gegangen. Sonst wären alle Horrorszenarien eingetreten”, so Scholz und nannte unter anderem die nicht eingetretene Vorhersage von Pensionsbeträgen in der Höhe von 30 Prozent.

“Wir brauchen also Zuwanderung auch in der Zukunft.” Daher wären Gesetze gemacht worden, die sie erleichtern. Dazu gehöre aber auch, irreguläre Zuwanderung einzuschränken. “Und wenn das nicht gut läuft, ist das ein Problem.” Auch dafür seien Gesetze nötig. Mit mehreren Ländern werde außerdem derzeit verhandelt, dass Menschen, die hier auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden können, behalten werden und dafür das Heimatland alle anderen problemlos zurücknimmt. 

“Es gibt eine Bereitschaft für solche Verträge”, so Scholz, der berichtete, dass oft sonst vielleicht nur zwei oder fünf Menschen im Jahr als Abgeschobene akzeptiert werden. Der neue Vorschlag werde aber als “fairer Deal” eingestuft. “Wir werden sehen, wie das wird, wenn es real wird, aber die Bereitschaft ist erst einmal da.”

Er räumte ein, dass es in dem Jahr, in dem zusätzlich zum gewohnten Flüchtlingsstrom noch eine Million Menschen aus der Ukraine kam, “schon viel” gewesen sei. “Verteilt auf mehrere Jahre wäre das schon einfacher gewesen.” 

Bedeutet Diplomatie die Kapitulation?

Einer 86 Jahre alten Rentnerin erklärte Scholz, weshalb und in welchem Ausmaß Steuern auf Renten zu zahlen sind. Grund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, es gelten Übergangsregeln. 

Auf ihre Forderung nach weniger Waffen und mehr Diplomatie für einen Frieden in de Ukraine bezog er ebenfalls Stellung: “Ich stimme Ihnen zu. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass es Gespräche gibt. Aber eine Sache müssen wir uns beantworten: Heißt Diplomatie übersetzt, dass Russland sich ein Stück seines Nachbarlandes schnappen soll?” Er fragte, was das für die anderen ehemaligen Sowjet-Länder bedeuten würde, unter anderem Georgien, wo Russland einen Teil besetzt hält. “Einfach so.” “Diplomatie kann nicht bedeuten, dass ich meine Kapitulation unterschreibe”, so der Kanzler, der erklärte, es gebe von Seiten Russlands keinerlei Bewegung. Und: “Wir sprechen noch auf allen Kanälen, die uns möglich sind.”

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Scholz verteidigte die Ansiedlung von Tesla in Deutschland und betonte, dass Deutschlands Unternehmen selbst auf der ganzen Welt vertreten seien. Nur so sei es möglich, dass das Land mit 84 Millionen Einwohner die drittgrößte Wirtschaftsmacht sei. “Dafür sind wir aber ziemlich schlecht gelaunt.” 

Landwirtschaft und Pharmazie

Er stimmte zu, dass über die Landwirtschaft diskutiert werden müsse. “Ihr Anteil an der Volkswirtschaft ist nicht riesig, am Wohlbefinden aber ganz riesig.” Er wiederholte, dass deswegen die Bürokratiefragen, die das Leben schwer machen, diskutiert werden müssen. “Es gibt keinen Wirtschaftszweig bei dem der Anteil von Steuergeld am Einkommen so hoch ist”, so Scholz, der noch nachschob: “Das ist aber gut so. Landwirtschaft muss so sein, dass der/die Landwirt:in gut davon leben kann.”

Die Einladung eines Teltower Apothekers, sich die Probleme mit den vielen nicht lieferbaren Medikamenten mal vor Ort anzusehen, nahm der Kanzler direkt an. Er räumte Fehler in der pharmazeutischen Versorgung ein und erklärte, welche Lösungen nun angestrebt werden. “Es ist ein großer Kampf, aber er ist aufgenommen, nachdem er jahrelang nur beschworen wurde.” Er geht davon aus, dass Deutschland als Pharmastandort, als “Apotheke der Welt”, wieder zulegt.

400.000 Wohnungen pro Jahr sind nicht genug

Auch die Themen Lehrlingsausbildung, die Nachfolgeproblematik von Mittelstandsunternehmen und Künstliche Intelligenz wurden gestreift, ausführlicher wurde es zum Wohnbau. “400.000 Wohnungen pro Jahr sind ja eigentlich zu wenig, wenn man sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt ansieht”, so Scholz. Er sprach von einer “unglaublichen Spekulationskrise”. Der Kanzler weiter: “Man muss die Wahrheit aussprechen: Mehr Wohnraum gibt es noch ohne mehr Bauland und ohne mehr Verdichtung.”

Einem Jungen erklärte er auf die Frage, was mit Deutschlands Sicherheit passiert, wenn Trump in den USA an die Macht kommt, mit Zweckoptimismus: “Ich glaube, wir sollten erst einmal nicht so tun, als wenn das schon sicher wäre.” John Biden habe noch eine Chance, so Scholz. Deutschland müsse darauf schauen, dass die EU, Kanada, Japan und andere demokratische gemeinsame Werte haben und nicht so tun, als ob zwischen Frankreich und Nordkorea kein Unterschied wäre. “Zweitens sind wir zusammen mit der USA in der NATO und drittens haben wir die EU.”